20 Jahre gibt es den Spiegel also schon im Internet, wie die Zeit vergeht! Aber mal ehrlich: Wer hat denn schon vor 20 Jahren im Netz gelesen? In Deutschland eher wenige, der Zugang war teuer und de facto fast nur Studierenden technischer FHs oder Unis möglich. In einer solchen befand ich mich 1994/95, in Großbritannien. Als ich das Internet für mich entdeckte, war der Spiegel allerdings nicht die erste Adresse.
An der University of the West of England (UWE) in Bristol gab es schon mit der Einschreibung eine E-Mail-Adresse. Diese konnte ich auf einer Unix-Plattform nutzen. Eine Bedienung war naturgemäß nur mit der Tastatur möglich, Attachments mussten zunächst mühevoll konvertiert werden („uuencode“), bevor man sie versenden konnte. Kenntnisse darüber hatte ich noch aus dem Informatik-Leistungskurs, den es Ende der 80er im Gymnasium in der Nähe der Nixdorf-Stadt Paderborn gab. Dort allerdings nur im Intranet.
Luxusproblem war nun: Wem schreiben? Es war nicht mehr als eine Handvoll Freunde, die an einer solchen technischen Uni studierten, einige teilten sich sogar eine E-Mail-Adresse mit anderen. Teilweise war mit „talk“ ein Chat möglich, bei dem jedes Zeichen schon beim Tippen sofort übertragen wurde.
Computer gab es an der UWE gefühlt in jedem zehnten Raum. Dort standen jeweils 20-30 aktuelle Rechner, von denen sich immer zwei über einen Switch einen Nadeldrucker teilten. Für schönere Ergebnisse konnte über das Netzwerk ein Laserdrucker genutzt werden, der im Sekretariat der Fakultät stand. Mal so zum Vergleich: In meiner Heim-Uni Göttingen, zugegeben fachlich damals eher weniger technisch orientiert, wurden in der Bibliothek 1995/96 ganze 4 öffentliche Rechner aufgestellt. Heute würden die vielleicht wieder reichen. Besser: 20 Steckdosen und ein ordentliches Wlan. ;-)
In einem solchen Raum sah ich also eines Tages den Mosaic-Browser und erfuhr von einem Kommilitonen, dass ich damit einiges mehr und leichter finden würde, als in den 80ern auf den Mailbox-Brettern. Die hatte ich damals — bis zur nächsten Telefonrechnung — mit einem Akustikkoppler und einem Atari ST angesteuert. Die angesagte Suchmaschine im Internet war damals WebCrawler, die es übrigens noch heute gibt!
So. Und jetzt? Was suche ich denn jetzt? Ich saß da und starrte den Suchschlitz an. So viele Möglichkeiten!
An den Spiegel habe ich da nicht zuerst gedacht. Es waren REM-Lyrics, die den CDs damals leider nicht beilagen.
Nach meiner Rückkehr in Göttingen fand ich zunächst nur in den Räumen der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung, GWDG, Zugang zum Internet. Allerdings wurde regelmäßig eine wissenschaftliche Begründung verlangt und dann lag die GWDG auch noch hinter den „Bergen“ von Göttingen, was mit dem Rad eine gute halbe Stunde Fahrt bedeutete. Schnell wurde ein Modem interessant, 28.8K.
In dieser Zeit waren auch die AOL-CDs sehr populär, auch, weil die Installation vergleichsweise einfach war. Sobald allerdings die Gratisstunden abgelaufen waren, war’s vielen zu teuer. Ich konfigurierte im ganzen Bekanntenkreis Winsock. Kennt das noch einer? Steinzeit!
Es hat eine Weile gedauert, bis auch der Fachbereich vor Ort Internet-Zugänge anbot. An sehr alten Rechnern mit klackernden IBM-Tastaturen und alten Monitoren — Röntgen für Arme — und nur zu sehr begrenzten Zeiten. In Großbritannien dagegen war schon 1994 ein Raum 24 Stunden geöffnet, sekundiert von Chocolate Bar- & Crisps-Automaten, die zu irgendwelchen Deadlines seltsamerweise immer komplett leergefuttert waren. ;-)
Mein Berufswunsch „Was mit Medien“ wurde in dieser Zeit jedenfalls stark geprägt. Und so ganz ungefähr ist es das ja auch geworden. Wie allerdings Vertrieb dazu kam, kann vielleicht mal eine Blogparade zum Thema „Wieso bist Du ausgerechnet im Vertrieb gelandet?“ klären.
Mitmachen! Erinnern Sie sich noch, wo Sie das Internet kennengelernt haben und wozu Sie es zuerst benutzt haben? Kommentieren Sie und/oder verlinken Sie Ihren Blogartikel im Kommentar.
3. November 2014 um 07:28
„das erste Mal“, wie könnte man es vergessen. Es war 1992 und meine Eltern stellten in ihrem Betrieb gerade auf einen Computer um. Endlich dürften sie ihre Lieferscheine und Rechnungen nicht mehr von Hand oder mit Schreibmaschine erstellen, sondern ganz einfach mit dem PC. So einfach war das aber gar nicht für sie, aber als Schüler hätte man ja Zeit und so verbrachte ich viele Stunden damit den damals superschnellen x386 mit 4MB(!!!) RAM, einer Wahnsinns-Festplattenkapazität von 108MB und einer Turbo-Taste (deren Sinn mir bis heute verschlossen blieb) etwas näher kennenzulernen.
DOS wurde schnell langweilig nachdem ich das Handbuch DOS 5.0 durchgearbeitet hatte und ach so war nicht viel los mit dem Rechner denn ich lernte damals schon kennen was es heißt an „Produktivumgebungen“ zu arbeiten. Die heilige Watsche schwebte immerzu um mich herum und deshalb stellte ich meinen Spieltrieb etwas zurück. ;-)
1995 kauft kam dann ein eigener PC. Es war schon ein x486 und wir wussten ihn mit quickMem und Co. Vernünftig zu tunen. Damals entdeckten wir auch das Internet, sehr zum Leidwesen meiner Eltern und der Telefonrechnung. Nunja, könnte man ja nicht wissen, darüber stand ja nix im Internet. ;-) was aber darin stand war die Dokumentation von HTML und das tolle war: es gab sie zum Download. Einmal Laden nie mehr zahlen, toll! Heute ist das ein komischer Gedanke (gar nicht aktuell?)!
Nachdem wir wussten das es teuer ist und meine Eltern es uns deswegen verboten hatten entdeckten wir, dass die Telekom Einwahlnummer auch über eine Festnetznummer erreichbar war. Das rettete uns die Wochenenden denn wir hatten Festnetzflat am Wochenende. Hammer! Das Tor zur weiten Welt war offen und von da an war mir auch bewusst: das machst du mal beruflich. :-)
Danke für den Artikel. Es ist immer wieder eine schöne Erinnerung sich an die Anfänge zurückzusetzen. :-)
3. November 2014 um 18:48
Hallo Stefan,
Danke für deine Erinnerungen! Wochenende flat, das war ja Luxus! ;-) Ich musste für längere Sessions in meiner Studenten-WG schon schon recht pünktlich zum Mondscheintarif (21 Uhr) erscheinen, sonst haben mir meine Mitbewohnerinnen einen Strich durch die Rechnung gemacht — mit schnöden Gesprächen… ;-)
5. November 2014 um 13:53
Bei mir ging es so los, dass ich von meinem Bruder, der gerade Auslandssemester in England war (s.o.), den Hinweis erhielt mir eine E-Mail-Adresse zu besorgen, damit man nicht immer teuer telefonieren muss. „Eine WAS soll ich mir besorgen?“. Nach Recherchen (Freunde fragen!) landete ich dann irgendwann im Hochschulrechenzentrum HRZ der Uni. Das HRZ hatte einen kleinen Raum in der obersten Etage am Ende des Flures im N-Gebäudes – Quasi der letzte Winkel der Uni. Dort bekam ich dann von ein paar langhaarigen Informatikern eine Mailadresse, die sich kryptisch aus Fachbereich und Matrikelnummer zusammensetzte.
Es gab es ca. 15 kleine „Boxen“, die an den Wänden mit Stoff ausgefüttert waren. Mit grünen Monitoren und eine ranzigen Tastatur aus den 70ern versuchte man dann Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Per Telnet, VI und später dann mit Browsern wie Mosaic und Netscape Navigator.
Irgendwann war das HRZ dann auch so überfüllt, dass man zu normalen Tageszeiten keinen Platz mehr bekam und sich in die Schlange einreihen musste oder unverrichteter Dinge wieder die halbe Uni durchquerte.
Wenn ich überlege wie das heute mit einem kleinen flachen und mobilen Gerät überall es der Welt komfortabler geht, dann kommt mir das damalige HRZ vor wie das tiefste Mittelalter.
5. November 2014 um 21:00
Der Jahrgang nach mir hatte Wege gefunden, eine Telefonzelle für Gratisgespräche zu nutzen. Vielleicht hätte ich E-Mail dann auch nicht mehr gebraucht. ;-)
26. April 2017 um 06:32
Danke für diese Rückblende. Wenn ich jetzt zurückdenke an die ersten Schritte im Internet und die ersten einfachen Webseiten. Schon Wahnsinn, wo wir da heute gelandet sind.
Ich erinnere mich noch genau an die Internet Verbindung über Modem mit DFÜ oder wie es hieß und das piepende Geräusch. Und heute ist praktisch überall W-LAN.
Und das in nicht mal 20 Jahren.