Kürzlich habe ich in einem XING-Profil eines Vertrieblers unter „Ich suche“ mal wieder gelesen, dass ein „Entscheider“ gesucht wird. Eine kleine Nachforschung ergab, dass das bei ziemlich vielen Personen verbreitet ist. Ebenso gibt es übrigens ein starkes Interesse für „Aufträge“.
Hinter dem Willen, „den“ Entscheider zu finden, verbirgt sich oft der Wunsch, möglichst an allen niedrigeren Chargen vorbeizukommen, um gleich mit dem oder der „Richtigen“ zu sprechen. Spart Zeit, Kosten und Nerven. Doch für die Kaltakquise bleibt, bei aller Liebe zu diesem durchaus nachvollziehbaren Wunsch, ein altes Problem:
Wer ist „der“ Entscheider? Der CXO? Der Head of X? Der Bereichsleiter? Der Abteilungsleiter? Der Projektleiter? Der Owner of X?
Der Gesuchte wird nur schwerlich in seinem XING-Profil „Entscheidungen“ anbieten oder gar selbst nach Personen suchen, die nach einem „Entscheider“ suchen. Auch auf Visitenkarten ist dieser Titel ebenfalls selten zu finden und die Zentrale wird sich mit Mutmaßungen zurückhalten — oder gleich auf den Einkauf verweisen.
Bei größeren Unternehmen ist es gar nicht mehr so einfach, wirklich eine einzige Person zu identifizieren, die für die gesuchte Materie eine einsame Entscheidung fällen wird, und die es zu bezirzen gilt. Die Fähigkeit Einsicht, für eine Fehlentscheidung allein geradezustehen, ist nicht mehr so weit verbreitet. Jedenfalls nicht mehr dort, wo man den Entscheider vielleicht noch am ehesten gerne vermutet hätte: in der Führungsetage.
Oft sind es heute Teams, die sich einen Marktüberblick verschaffen und sich in Absprache für ein Produkt oder einen Dienstleister entscheiden. Die Gefahr, damit falsch zu liegen, geht zumindest theoretisch gegen Null. Es ist natürlich sehr wahrscheinlich, dass nach diesem Prozess auch noch der Teamleiter oder höher das Ganze abnicken muss. Der oder die wird sich hüten, gegen einen Vorschlag des Teams zu entscheiden.
Ist es daher für die Kaltakquise sinnvoll, zuerst mit genau dieser Person zu sprechen? Kann sein. Muss aber nicht. Eine genauere Antwort wäre möglich, wenn die Teamdynamik und das Verhältnis des Teams zur Leitung klar wäre. Reicht die Leitung Vorschläge weiter? Fühlt sich das Team damit umgangen? Oder umgekehrt?
Genau das ist aber für einen Außenstehenden zunächst nicht ersichtlich.
Bekannt ist dagegen, dass Führungskräfte oft keine Zeit und einen Assistenten haben, der einen gerne freundlich an diesen Umstand erinnert.
Und so muss es für die Kaltakquise überhaupt nicht schlecht sein, zunächst mit einem Projektmitarbeiter und nicht mit der Leitung zu sprechen. Ersterer kennt sich in der Regel auch fachlich besser aus. Sehr gut möglich, dass dieser auch ein besonderes Auge auf den zukünftigen Partner werfen wird, weil nicht etwa sein Vorgesetzter, sondern er selbst in Zukunft mit diesem klarkommen muss.