Ich bin ein überzeugter Bahnfahrer geworden und kann es jedem Businesskaspar Vertriebler mit Köfferchen auch nur wärmstens empfehlen. Nicht etwa, weil die Klimaanlage ausfällt, ein Wagon fehlt oder der Anschlusszug nicht wartet. Nein, vor allem, weil so viel erledigt werden kann: Der letzte Schliff an der Präsentation, die letzten 5 Ausgaben der Fachzeitung, Inglorious Basterds oder einfach nur ausruhen. Blöd, wer in dieser Zeit lieber auf Bremslichter, „Kevin an Bord“ oder Straßen wie Blei schauen möchte.
Nachteil allerdings: Man ist nicht unbedingt allein.
Nachteil?
Einige scheint das nicht weiter zu stören. Stolz wird für alle hörbar nach Hause gefunkt, wie gut der Termin war. Mit Details über Thema und Ansprechpartner. Diese sind zuweilen so pikant, dass zufällig anwesende Mitarbeiter aus anderen Abteilungen des betroffenen Unternehmens schon mal eingeschritten sind mit den Worten „Ich arbeite in diesem Unternehmen und ich möchte nicht, dass Sie das in der Öffentlichkeit besprechen!“
Ein selten dummer Zufall, sicher. Aber ich finde, es geht Unbeteiligte wirklich nichts an, wo wir zu Besuch waren, mit wem wir gesprochen haben und was unsere nächsten Schritte sein könnten. Denn:
Woher wissen wir, ob die Unbeteiligten wirklich so unbeteiligt sind?
Schon bei der Hinfahrt: Praktisch, dass es während der Zugfahrt noch Zeit für die Vorbereitung des Termins gibt. Aber lassen Sie im Gespräch mit Kollegen jegliche Namen weg. Weder der Unternehmensname noch die der zu besuchenden Mitarbeiter sollten genannt werden. Wenn es denn sein muss, nehmen Sie von mir aus Farben oder Tiernamen! ;-)
Müssen Sie Ihre Präsentation unbedingt am Gang editieren, für jedermann sichtbar?
Auf Zugfahrten bin ich paranoid. Sollte ich zum Beispiel mit Kundendaten arbeiten, dann möchte ich das richtig tun können.
Das geht nicht so gut, wenn mir jemand durch zwei Sitze oder am Gang auf das Display schauen könnte. Unvergessen eine Kollegin von mir, die so die Präsentation eines Wettbewerbers sehen musste, der für den gleichen Pitch wie sie unterwegs war.
Vermeiden Sie das bei einer Reise mit dem ICE schon bei der Buchung: Reservieren Sie Ihren Platz einfach dort, wo hinter Ihnen Koffer stehen oder wo man Ihnen mit dem Rücken zugewandt sitzt. Blickschutzfolien machen Ihren Bildschirm unsichtbar für Ihren Nachbarn.
Je näher Sie dem Standort des Kundens kommen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass um Sie herum Mitarbeiter, Dienstleister, Lieferanten oder Freunde des Unternehmens sind.
Und das nicht nur im Zug: Das Bäckerei-Café vor dem Werksgelände ist geradezu ein Schmelztiegel oben genannter Gruppen. Sie glauben gar nicht, wer da alles wen kennt. Natürlich dürfen Sie dort rein, aber erzählen Sie nichts. Und seien Sie freundlich!
Vertrieb 2.0
Schön, wenn Sie Foursquare & Co. nutzen. Checken Sie aber lieber nur dann öffentlich beim Zielkunden ein, wenn Sie ihn gewonnen haben. Am besten lassen Sie’s ganz.
Ihre Freunde, Follower & Fans sollten zumindest bei den ganz heißen Leads nicht wissen, wo Sie gerade sind. Und ja, auch Bushaltestellen verraten Sie; für manche Unternehmen reicht sogar schon der Ortsname. Schnappen Sie sich lieber den Auftrag statt einen wertlosen Badge.
Es sei denn natürlich, dieser ist wesentlicher Bestandteil Ihrer Provisionsvereinbarung. ;-)
25. Februar 2014 um 10:36
Mir wäre das ja peinlich, in öffentlichen Verkehrsmitteln laut zu telefonieren, egal ob privat oder geschäftlich. Nicht nur weil es keinen was angeht, sondern weil ich mir auch denke, es interessiert keinen und es könnte sich wer belästigt fühlen. Um die Zeit positiv zu nutzen, kann eine Zugfahrt ganz nützlich sein, dann aber eher in der ersten Klasse. Inder 2. hat man nicht unbedingt seine Ruhe, wenn zum Beispiel eine Schülergruppe einsteigt. ;-) Natürlich sollte auch vorsichtig mit wichtigen Daten umgegangen werden.
26. Februar 2014 um 16:58
Hallo Melinda,
stimmt: Die erste Klasse wählen, wenn die erste Klasse einsteigt. :-) Oder der Kegelverein. Die Ruhe ist allerdings fast der einzige Mehrwert.
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Dirk
12. März 2014 um 22:28
Klasse Artikel – der sich praktisch mit meinen wöchentlichen Beobachtungen 1:1 deckt. Ich sehe das genauso kritisch, aber seit Du darüber geschrieben hast, achte ich fast paranoid daauf den Rücken-an-Rücken-Sitzplatz zu erwischen, weil ich fast immer im Zug arbeite u neuerdings denke: jeder will zwischen den Sitzschlitzen auf meinen Bildschirm gucken. Telefonieren habe ich im Zug noch nie gemocht, aber wenn es wirklich sein muss, verlasse ich dazu das Abteil und gehe in den Wagonvorraum. Ist wirklich krass was man da manchmal so bei Anderen mithören kann… Die Leute haben oft gar kein Bewusstsein dafür oder das Hirn morgens in der Schublade vergessen.
13. März 2014 um 11:39
Gefühlte 20% des Gespräches sind „…hallo? Bist du noch dran?“ plus Wiederholung des letzten Teils zum Mitschreiben. ;-) Und die Technik ist leider längst noch nicht soweit, dass man so normal sprechen könnte wie heute beim Festnetz.